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Stadtgärtnern voll im Trend auch auf dem Balkon

Urban Gardening, oder Urbaner Gartenbau, ist zumindest als eigenständige Gartenbauform und in der Form wie es heute unter dem Begriff verstanden wird eine recht junge Zeiterscheinung. Wobei man der Ausgewogenheit halber sagen muss, dass natürlich eigentlich schon immer auch in den Städten Gemüse und Obst zur Selbstversorgung angebaut wurde, mit Ausnahme vielleicht der letzten 40 bis 50 Jahre.

Gartenanlagen vor einer Skyline mit Wolkenkratzern

Bis weit in die Nachkriegszeit hinein fand dieser städtische Gartenbau jedoch im privaten Bereich üblicherweise hinter dem Haus in den damals üblicherweise noch vorhandenen Gärten statt, wobei gerade in der Not der Nachkriegsjahre bestimmt auch die ein oder andere Brach- oder Schuttfläche zum Anbau genutzt wurde. Darüber hinaus gab und gibt es in vielen Städten, auch in Großstädten mehr oder weniger am Stadtrand gelegene sogenannte Gärtnerviertel in denen professionell Obst und Gemüse angebaut wurde um die städtische Bevölkerung mit Nahrungsmittel zu versorgen. In vielen Städten sind diese Viertel auch heute noch vorhanden und dienen auch noch dem Gartenbau, wobei sie natürlich durch die wachsende Bebauung immer weiter bedrängt und zurück gedrängt werden. Einer der bekanntesten und grössten innerstädtischen Areale dieser Art stellt das Bamberger Gärtnerviertel in dem in erstaunlich grossem Maße auf teils sehr kleinen Anbauflächen von vielen kleinen und grösseren Gartenbaubetrieben Süssholz angebaut wurde und der Stadt zu Reichtum und Weltruf in der Süssholzproduktion verhalf. Ein gutes Beispiel für die städtische Selbstversorgung im privaten Bereich sind die traditionellen Zechenhaussiedlungen im Ruhrgebiet deren Häuser alle über einen Gartenbereich und Stallungen für Schwein oder Ziege sowie Hühner verfügten. Hier hat sich auch die Taubenhaltung aus der Selbstversorgung heraus entwickelt. Verschwunden ist die städtische Selbstversorgung dann mit dem Aufkommen reiner Wohngebiete ohne Gärten und von Hochhaussiedlungen.

Eine Glühbirne mit Pflanzen darin



Das, was heute als Urban Gardening bezeichnet wird bezieht sich aber üblicherweise nicht auf den Gemüse- und Obstanbau in privaten städtischen Gärten wie sie sicher hier und da insbesondere in älteren Ein- bis Zweifamilienhausgebieten sicherlich auch noch praktiziert wird, die sich ja aber grundsätzlich auch nicht groß vom Gärtnern in einem ländlich gelegenen Hausgarten unterscheidet.
Urban Gardening bezieht sich auf das Suchen und Nutzen von Anbauflächen und Anbaumöglichkeiten die üblicherweise nicht zum Anbau von Obst und Gemüse genutzt wird und für diesen Zweck auch nicht zwingend ins Auge fällt. Streng genommen beginnt das mit dem Anbau von Tomaten oder Küchenkräutern auf dem Balkon, üblicherweise bezeichnet das aber die etwas grössere Variante. Hier werden dann Baulücken, Brachflächen, Flachdächer oder zum Teil auch öffentliche Grünflächen zum Gärtnern benutzt. Teilweise weden sogar geschotterte Flächen mit Hilfe von aus Europaletten gebauten Hochbeeten zu Gärten umgenutzt oder es wird in ausgemusterten Brotkörben gegärtnert.
Die Fantasie der Urban-Gardening Gemeinde bringt hier wirklich erstaunliche Ideen zu Tage. Eine weitere Eigenart des Urban Gardening besteht darin, dass es üblicherweise nicht von Einzelpersonen sondern meist von mehr oder weniger grossen Gemeinschaften betrieben wird.

 

Salatkopf

Ein weiterer Zweig des urbanen Gartenbaus ist die wissenschaftliche Suche und Erforschung von städtischen Anbaumöglichkeiten und Anbaualternativen um auf bisher nicht genutzten Flächen Lebensmittel anbauen zu können und somit zukünftig immer weiter schrumpfenden Anbauflächen bei gleichzeitig wachsendem Lebensmittelbedarf entgegen wirken zu können. Und auch, um Lebensmittel zukünftig auch näher am Bedarf produzieren zu können und somit durch Vermeidung weiter Transportwege fossile Ressourcen zu schonen. Hier wird dann an alternativen Anbaumöglichkeiten wie etwa den sogenannten vertikalen Gärten geforscht.Ein weiterer, spezieller und auch illegaler Bereich des Urban Gardening ist das so genannte Guerilla-Gärtnern, bei dem auf Flächen Gemüse angebaut wird, für die dazu kein Recht besteht. Hier wird dann auf Flächen wie etwa Verkehrsinseln, Straßenböschungen oder öffentlichen Rasen- und Grünflächen angesät und geerntet. Neben der Tatsache das dies natürlich schlicht dadurch illegal ist, da man fremdes Eigentum, und dazu zählen auch öffentliche Flächen, ohne legitimität dafür nutzt. Desweiteren ist das auch aus ökologischer Sicht nicht immer ganz unproblematisch, da man Pflanzen in die Freiheit verbringt die nicht wild vorkommen, das kann zu einer Verfälschung der heimischen Flora führen. Und wie gesund so ein auf einer Verkehrsinsel aufgewachsener Salat letztlich für den Konsumenten ist möge jeder selbst beurteilen. Von dieser Form des Urban Gardening kann daher objektiv nur abgeraten werden.

 



Pflanzen wachsen zwischen alten Eisenbahnschienen

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